Hauptseite

22.06.13

Zeitlos

«Wer bloss die Zeit wissen will, liest sie auf seinem Mobiltelefon.» Wenn aber nicht zum Zwecke der zeitlichen Orientierung – wozu dienen Uhren? Oechslin: «Wenn man sich mit Uhren beschäftigt, beschäftigt man sich mit Funktionsweisen, mit der Mechanik zum Beispiel, und nicht mit der Zeit. Die mechanische Uhr ist weiter nichts als die Verfeinerung von Tag und Nacht.» Und was ist dann die Zeit? «Die Zeit als solche existiert nicht. Sie entsteht in der Erinnerung erst durch die Einordnung der Ereignisse in ein Zuvor und ein Danach, in eine Ereigniskette. Die Zeit ist ein Produkt des Menschen.»
in: Imhof, Paul; Der Meister der Vereinfachung [Ludwig Oechslin]; TA 30.3.2013

16.02.13

Schrei(b)ender Kitsch

"Und so scheint für die New Yorker Rockband The Strokes je länger je mehr zu gelten, was Friedrich Schiller vor 200 Jahren über sich und seine frühmodernen, sentimentalischen Autorenkollegen gesagt hat. Was damals der Dichter, ist heute der Rockmusikerverbund: Er «reflektiert über den Eindruck, den die Gegenstände auf ihn machen und nur auf jene Reflexion ist die Rührung gegründet, in die er selbst versetzt wird und uns versetzt». Casablancas und Co. wenden sich also in ihrer Langeweile A-ha zu – und stellen fest, dass der Weg aus der formvollendeten und endironischen Coolness zur neuen Ehrlichkeit nur über den bitterernsten Kitsch führt."
in: Schöpfer, Linus; Schreie aus dem goldenen Käfig; TA 15.2.2013

15.12.12

Spätidealistische (Ver-)Stimmung

"Das Problem ist jedoch, dass es auch kein grundsätzlich richtiges Leben im noch so Richtigen gibt und dass Küngs Weltethos vielleicht gut zur Erbauung vor allem von André Rieu hörenden «Damen über fünfzig in spätidealistischer Stimmung» taugt (Sloterdijk über Precht) – aber nicht zu mehr."
Schneider, Peter: Die unternehmerische Verantwortung; Tages Anzeiger, Dossier: Leser fragen; 12.12.2012

17.08.12

sourreale Realität

"Ihr Körper nämlich war stets ein Symbol, sie wurde Pin-up und Pionierin des Self-Enhancement, Kategorien wie Alter und Scham transgressierend, in ihrem Sein und Dasein stets das Prinzip zur Geltung bringend, das sie darstellt und das so alt ist wie ihre allerersten Implantate: Die physische Erscheinung als endloses Selbstschöpfungsprojekt, als Spiegel und Manifestation des vermeintlich selbst gemachten Ich."
Tingler, Philippe: Aufstieg und Fall der Brigitte N. ; BlogMag Tages Anzeiger, 15.08.2012

27.02.11

Renommieren

"Experten wissen von immer weniger immer mehr, bis sie von nichts alles wissen. Darin unterscheiden sie sich von uns Journalisten. Denn Journalisten wissen von immer mehr immer weniger, bis sie von allem nichts wissen."
Guggenbühl, Hanspeter: Wenn Journalisten mit Experten renommieren, P.S. Nr. 7, 24. Feb. 2011, S. 5

19.04.10

Panini-Streit

"Das Geburtsdatum war noch einigermassen interessant. Seit aber sogar der älteste Torwart jünger als man selbst ist, stimmt diese Information nur noch missmutig."
In: Panini-Sammlerei: Witzig oder peinlich? ; contra von Philippe Zweifel; Tagi, 19. April, 2010

08.04.10

Konsum wird Kacke

"Die Leute, die heute auf dem Land und nicht vom Land leben, sind Konsumenten, Landkonsumenten. Wie wir alle wissen, zerstört der Konsum das, was er konsumiert. Drastisch ausgedrückt: Der Kuchen wird Kacke. Ein Naturgesetz. Zwar ist der Dünger auch wertvoll, leider auf einem viel tieferen Niveau. Das Produktionsmittel wird zum Konsumgut. Dieser Übergang ist die Zersiedelung. Zusammenfassend: Zersiedelung ist Konsum."
In: Loderer, Benedikt: Wir sind alle Rüdisülis; Tages Anzeiger, 9. April 2010

27.02.10

klemmend evozierend

Wie später im Spionagedrama «Torn Curtain» evoziert das mit dem Vorhang allegorisch bedeutete Jenseits in diesen Produktionen nicht mehr eine perspektivische Vertiefung des Filmraums, sondern im Gegenteil die Existenz einer gesichtslosen Gefahr, die umso beklemmender wirkt, als sie in ihrer diffusen Präsenz bereits als unentrinnbar erscheint.
In: Straumann, Patrick: Der verbergende und der enthüllende Vorhang; NZZ, 27. Feb. 2010

29.11.09

digitale Demenz

"Im frühen 20. Jahrhundert hat Taylor die Arbeitswelt mit der Stoppuhr geregelt, heute übernimmt dies das Multitasking: ein innerer, ein digitaler Taylorismus, der zu digitaler Demenz führt. So wie damals die Muskeln kaputtgingen, geht heute der Geist kaputt."
In: Tages Anzeiger, 29.11.2009; «Multitasking vermanscht das Gehirn»; Interview von Guido Kalberer und Res Strehle mit Frank Schirrmacher.

ebenso kritisch, wenn auch etwas weniger kulturpessimistisch:

"Die Menschen des Web-Zeitalters halten das Leben ohne ständige Mehrfachbeschäftigung nicht mehr aus. Die Folge davon ist eine neue Zivilisationskrankheit: die chronische Zerstreuung. Dagegen hilft nur eines – wir müssen eine Kultur der Aufmerksamkeit entwickeln. "
in: Kaeser, Eduard: Cogitus interruptus ; NZZ, 31. Mai 2009

01.12.08

Psychopolitische Tendenzen

Die Moderne ist auf einem Parallelogramm antagonistischer psychopolitischer Energien aufgebaut. Darin ringen frivolisierende, leichtsinnig machende und den Konsum fördernde Kräfte unablässig mit den seriösen, sichernden und down to earth orientierten Tendenzen.
In: Sloterdijk, Peter; «Wir lebten in einer Frivolitätsepoche» : Gespräch mit dem Philosophen Peter Sloterdijk über die Finanzkrise; NZZ, 28.11.2008

15.01.08

Kaderqualifikation: "fehlende Sozialkompetenz"

"Wenn Männer ihre Stellung über Kompetenz halten sollen, dann stehen ihre Chancen in einer Dienstleistungsgesellschaft nicht sehr gut. Denn dort ist Sozialkompetenz gefragt. Etwas maliziös gesagt: Ich habe den Eindruck, manche Männer ziehen sich in Chefpositionen zurück, weil die Kompetenz dort keine so grosse Rolle mehr spielt."
Die medizinische "Kinder- und Jugendkoryphäe" Remo Largo im Interview mit dem Magazin, unter dem Titel: "Der gute Schüler ist heute ein Mädchen", Jan. 2008

10.12.07

Der Feminist

Doch Hillary Clinton, die bei ihren Gegnern als wankelmütig und zugleich als berechnend gilt, steckt in einem klassischen Dilemma: einer Nation im Krieg vorzustehen und gleichwohl feminin, sprich: Margaret Thatcher und Laura Bush in einer Person sein zu müssen.
In: Köhler, Andrea: Der Oprah-Kick : Amerikas Talkshow-Queen wirbt für den Kandidaten Barack Obama; NZZ, 10. Dez. 2007

06.12.07

Westerhelle

Denn auch wenn wir Sie nie für eine Leuchte gehalten haben: daß Sie, Westerwelle, tatsächlich nichts weiter sind als ein groteskerweise promovierter und naturgemäß seelenloser Aufsage­automat von Nullsätzen, die sich auch nur einen halben Schritt jenseits von Parteitag, Pressekonferenz oder der Bunten sofort in Luft auflösen und Sie als Marionette des BDI auf geradezu kathartische Weise decouvrieren, nein, das finden wir dann doch noch mal eine Meldung wert.
In: Titanic; Und aber apropos, Westerwelle!; Dez. 2007

24.11.07

Sumpf-Journale

"Schnell weiterblättern oder den Fernsehkanal wechseln – persönlich scheint das meist die vernünftigste Lösung, wenn man nicht im Sumpf, den Journalisten gerade anlegen, verenden will. Es gibt allerdings medienökologische Gründe, nicht einfach ständig wegzuschauen, wenn die Öffentlichkeit wieder einmal durch amoklaufende Journalisten misshandelt wird."
In: ras.: Publizistische Schauprozesse : FC-Thun-Berichterstattung als Dokument geistiger Verwahrlosung; NZZ, 23. Nov. 2007, Dossier Medien

Auch Koni Loepfe hat im P.S. in seinen Gedanken zur Woche dieses Thema unter dem Titel "Sind wir unbelehrbar?" aufgegriffen. Sinnigerweise ist im gleichen NZZ-Dossier unter dem Titel "Kakofonie von Inhalten" Andrew Keens Kritik am Jekami-Internet und seine Glorifizierung des professionellem Journalismus Thema. Man kann es ausdrücken wie man will: Angesichts der jüngeren Berichterstattungsqualität in Schweizer Medien (Stichworte "Horrorklasse, "Massenvergewaltigung" etc.), sind manche Journalisten eben auch nur Dilettanten oder manche Dilettanten eben auch Journalisten...
Da möcht ich doch nebenbei noch auf den Artikel "Dilettant" in der Wikipedia hinweisen |-)

11.10.07

Exploitation


"Es sagt sich auch etwas zu leicht, Tarantino sei reflektierter. Rodriguez macht Bewegungsbilder, Tarantino Zeitbilder, das ist vielleicht einfach der Unterschied, Tarantino ist der Godard, Rodriguez der Truffaut des Neo-Exploitation-Kinos."
In: Suchsland, Rüdiger; Die meisten werden gleich gefressen : Zombies ziehen eine Schleimspur durch das Herz der USA: "Planet Terror"; Telepolis 11.10.2007

10.09.07

klingelts?


Video: Ausschnitt aus Pat Metheny am Estival Jazz, Lugano 9. Juli 2004

"Bevor Lyle Mays und ich auch nur eine Note schrieben, verbrachten wir drei Tage ausschließlich mit Gesprächen über unseren gegenwärtigen kulturellen Kontext. Alles wird immer kürzer. Erst wurde alles in Drei-Minuten-Songs komprimiert, dann musste es in einem Vier-Takt-Loop untergebracht werden. Inzwischen sind wir bei Klingeltönen angekommen. Das muss man sich mal vorstellen. Dinge, die nicht länger sind als zwei Sekunden. Das lehnen wir ab. Das ist nicht unser Weg. Ich habe vier Tage in der Alhambra in Granada zugebracht. Dort kann man vor einer Mauer zwei Wochen stehen bleiben und hat dennoch nicht alles entdeckt. Irgendein Künstler steckte wahrscheinlich fünf Jahre seines Lebens in diese Mauer. Dieser Qualität, dieser Hingabe fühlen wir uns verbunden. Nicht dem Klingelton von zwei Sekunden. Wir verfolgen sehr aufmerksam, wie sich die Kultur in unseren Tagen entwickelt, und finden uns plötzlich in der Opposition wieder. Das setzt Energie frei. Für uns ist das eine Protest-Platte."
Pat Metheny in einem Interview mit Wolf Kampmann, Jazzthetik, 04.02.2005

...aufmerksam geworden bei der Lektüre eines Kommentars im heise-Forum zum Thema iPhone, Apple und Klingeltöne ¦-)

13.08.07

Rolling Cumulus

Rolling_Stones.jpg
Bildherkunft: Rolling Stones in der deutschen Wikipedia

"Mit dem Migros-Anlass hat diese Art der Belohnung für geschäftliche Treue aber eine neue Dimension erreicht: 400 000 Wettbewerbseinsendungen, die 10 Einkäufe für mindestens 10 Franken belegen mussten, sollen eingegangen sein; den Gewinnern wurden für zwei Eintrittskarten 6000 Cumulus-Punkte abgebucht. Da fragt sich, wer sich in den 40 Jahren nach der Randale im Zürcher Hallenstadion mehr verändert hat: die Migros, die Rolling Stones oder deren Fans ?"
In: Ganz, Markus; Zwischen Kalkül und Unberechenbarkeit : The Rolling Stones im Lausanner Stade de la Pontaise; NZZ 13. August 2007

30.07.07

Notre Tour

baldo.jpg
Bild: Kollege O. K. auf dem Monte Baldo, dem toit du Tour, die dieses Jahr ein Giro in der Gegend des Gardasees war.

"Beim Fußball fliegt einer nach zwei Gelben Karten mit Gelb-Rot vom Platz – beim Radsport dagegen kriegt er nach der vierten Gelben Karte das Gelbe Trikot."

In: Beck, Oskar; Nicht allen kommen Contadors Ritte spanisch vor; Welt - Debatte (Welt online)

Nach mehrmaligen Aufenthalten an der Grande Boucle haben wir uns im Jahr als die journalistische Metatextproduktion die sportliche Berichterstattung definitiv übertroffen hat, für eine andere Gegend entschieden. Der Gardasee ist zwar in erster Linie ein Surf-Mekka und in zweiter ein Mountainbike-Paradies, aber auch für den coureur cycliste hats Leckerbissen, wie das obige Bild zeigt.
In diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen möchte ich die Tatsache, dass Mickael "Chicken" Rasmussen in unmittelbarer Nachbarschaft des im Hintergrund sichtbaren Ortes Malcesine wohnt, nähmlich in Lazise. In den Tagen unseres Aufenthaltes soll er sich laut Presseberichten "nach Italien durchgeschlagen" haben... begegnet sind wir allerdings weder ihm noch andern TdF-Abtrünnigen ¦-)

- Unsere Etappen
- Fotos (incl. the famous "Brokeback Mountain"-Sessions, login/pwd: Riva / [Erster Buchstabe der Vornamen aller Fahrer in alphabetischer Folge, Majuskeln])
- einige nette TdF Karikaturen: Presse Anzeiger, General-Anzeiger, ???, Courrier international, do.

11.07.07

défendre son maillot

3.jpg
Bild: Screenshot des Zielfotos der 3. Etappe auf letour.fr

"Der Besitzer des deutschen Radrennstalls Gerolsteiner, Hans-Michael Holczer, glaubt weiter an das Potenzial des Radsports. «Der Sport hat ein wirtschaftliches Potenzial, das seinesgleichen sucht, doch er ruiniert es mit einer Konsequenz eines Selbstmörders», sagte er der «Welt am Sonntag»."
in: Radsport erneut erschüttert, NZZ vom 1. Juli 2007

Nach täglichen Dopingberichten stützt Cancellara mit seinem Finish in der 3. Etappe Holczers erste Aussage eindrücklich . Der offizielle Etappenbericht schreibt dazu: "Voilà ce qu’on appelle défendre son maillot jaune."

06.07.07

Serial Wars

"Als "Dinosaurier mit Gnadenfrist" bezeichnet Barbara Cohen die ungeliebten Verlage. Die ehemalige Redakteurin beim Fachmagazin "Nature Genetics" vergleicht das Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit mit einer Geburt: "Es dauert eine Weile, ist äußerst schmerzhaft, und man freut sich, wenn das Baby endlich auf der Welt ist. Mit einem entscheidenden Unterschied: Bei Fachartikeln gehört das Kind der Hebamme. Die Verlage bestimmen, welche Besuchsrechte die Eltern haben, und man muss dafür auch noch bezahlen." "
in: Heuer, Steffan; Mash-ups für Professoren; Technology Review 07/2007

25.03.07

Situation und Symbol

maedchen.jpg
Bild: Edvard Munch, "Weinendes Mädchen", um 1908, aus Gallery edvard-munch.com

"... Das eigentlich Suggestive dieses Werks liegt in dieser einzigartigen Melange aus aufgelöster Faktur und eurythmisch mäandernden Farbformen, im Changieren zwischen Situation und Symbol, in der geheimnisvollen Verweigerung der Erzählung."
in: Müller, Hans-Joachim; Die geheimnisvolle Verweigerung der Erzählung: Edvard Munch in der Riehener Fondation Beyeler; Neue Zürcher Zeitung, 24./25. März 2007, Nr. 70, S. 51(NZZ Online)

22.03.07

Netzverunreiniger


Video: British girls get messy gefunden bei youtube.com

"Im Zeitalter des interaktiven Graswurzel-Internets 2.0 mit einem weltweit ständig wachsendem Anteil von Breitband-Flatline- Usern scheint auf den Cyberspace eine Umweltkatastrophe bisher ungeahnten Ausmaßes zuzurollen."
Anrisstext zum Telepolis-Artikel "Hier sieht's aus wie im Schweinestall - Zur Ästhetik von MySpace-Seiten" von Hubert Erb.

Als Blogbetreiber und bekennender Netzverunreiniger hab ich natürlich mit grossem Interesse diesen Artikel gelesen. Der Autor hat sich in die Tiefen des MySpace begeben und breitet uns seine gefundenen Müsterchen aus. Schon schaurig was sich auf den Wühltischen im Sous-sol des WWW (WahnWitzigstesWarenhaus) präsentiert. Lesens-/besuchenswert ¦-)

17.02.07

Reifer Dostojewski

geier.gif
Bild: Buchcover der Neuübersetzung von Dostojewskijs "Ein grüner Junge", Ammann-Verlag

"Das kaum überschaubare, durch prekäre Familienbande und fatale Zufälle zusammengewürfelte Personal der Erzählung vereinigt sämtliche Typen der damaligen russischen Gesellschaft - verarmte Adlige, abgetakelte Militärs, eitle Salonlöwen, kriminelle Emporkömmlinge, starke Frauen und leichte Mädchen, Spiesser und Rebellen, Gottsucher und Weltverächter, «Slawophile» und «Westler» - zu einem literarischen Wimmelbild, das in ständiger Wucherung begriffen ist und keinen Raum lässt für deskriptive Passagen."
In: Ingold, Felix Philipp; Glanzvolle Premiere : Nur vermeintlich sein schwächstes Werk - Fjodor Dostojewskis Roman «Ein grüner Junge» in Neuübersetzung; Neue Zürcher Zeitung, 17./18. Februarl 2006, Nr. 40, S. 69

05.08.06

Yellow fellow more than mellow

"Denn in den Geschehnissen jener 17. Etappe von St-Jean-de-Maurienne nach Morzine und ihrem Nachspiel im Dopinglabor von Châtenay-Malabry konturiert sich das Faszinosum des Radsports in aller Deutlichkeit - und zugleich zeigt sich das Unvermögen des Antidoping-Systems, also jenes Konglomerats aus Politik, Verbandsapparat, Labor und Publizistik, in Taten und Worten adäquat mit der von Doping geprägten Kultur des Radsports umzugehen."
in Gamper, Michael; Der unaufhaltsame Aufstieg des Floyd L. : Der Fall Landis sagt viel über den Zustand des Radsports und der Dopingbekämpfung; NZZ am Sonntag, 30. Juli 2006

Dem hab ich nur noch die Kenntnisnahme der positiven B-Probe beizufügen.

15.04.06

Das Wort und Ich

"...Kommunikations- und Informationstheorie haben uns beigebracht, dass Menschen sprachliche Zeichen benutzen, um wechselseitig Informationen auszutauschen. Sprachzeichen erscheinen dieser Denkrichtung als nützliche Instrumente. Becketts Werk untergräbt wie ein grosser Gegenentwurf diese bis heute massgebliche Doktrin. Das Subjekt verfügt bei ihm nicht über die Sprache, als wäre sie ein ihm äusserliches Hilfsmittel, sondern umgekehrt, es entsteht als Subjekt überhaupt erst durch die Sprache. Die Worte sind es, die das Ich machen - «Ich bin aus Worten gemacht.»"
in: Hitz, Bruno; Das unerlöste Ich: Das Paradox der Sprache bei Samuel Beckett;
Neue Zürcher Zeitung, 8./9. April 2006, Nr. 83, S. 67

Die Beilage Literatur und Kunst ist Samuel Beckett gewidmet, aus Anlass des 100. Geburtstages. Wärmstens zu empfehlen!

31.01.06

Auf Mozarts Pfaden

"Doch die Orientierung verliert man nie, der Fixpunkt heisst Mozart, mit ihm, mit seiner schöpferischen Spielernatur korrespondiert die Aufführung auf tiefsinnige Art bis hin zum überraschenden Schluss, der mit theatralischer Geste den Konflikt zwischen Don Giovanni und dem Komtur sowie das Ende des Helden an seiner festlich gedeckten Tafel gleichsetzt mit der Entmachtung Idomeneos und der Inauguration Idamantes - eine Befreiung, die kein Happy End ist."
in: Zelger-Vogt, Marianne; Mozart - fern und nah, statisch und spielerisch: «Idomeneo» in Wien und in Graz; Neue Zürcher Zeitung, 31.01.2006, Nr. 25, S. 42

Fragt sich wessen Pfade verschlungener sind: Mozarts Opern oder die der Kritikerin. Bei solch langen Sätzen musste ich jeweils persönlich beim Deutschlehrer antraben
¦-(

17.01.06

70ies Frauenpower

vilar_schwarzer.jpg
Bildherkunft: Ausschnitt aus TV-Programme von gestern und vorgestern

"Esther Vilar, 39, modisch-populäre Manneshelferin im Geschlechterkampf, die den Mann als emsigen, dennoch unterdrückten Ernährer parasitärer Weibchen betrachtet und im Kampf der Emanzipierten eine Attacke auf die Würde der Frau sieht, konterte mit der Taktik des weichen Wassers, das - laut Brecht - den harten Stein besiegt. Von ihrem anheimelnd gutturalen bayrischen Dialekt unterstützt, quittierte sie die Dauerattacken mit gleichbleibendem Lächeln - in der Boxersprache: sie zeigte nie Wirkung."
in: Spiegel, 10.2.1975 nachzulesen in der Rubrik 70er Jahre auf den Seiten von Alice Schwarzer: Im Clinch

Draufgestossen nachdem ich mir in der lokalen Buchhandlung ein schon etwas mitgenommenes Exemplar des 1994 erschienenen Buches "Heiraten ist unmoralisch" ermässigt erstanden habe und ich mich über die Vergangenheit der Autorin und den Kontext ihrer berühmt gewordenen Streitschrift "Der dressierte Mann" klug machen wollte.

Schiefliegen statt Skifliegen

Eine meiner Lieblingsrubriken im NZZ-Folio waren die Sportart-Vorstellungen im Sportlexikon von Richard Reich. Gottseidank bleibt uns seine Sportfeder erhalten, wenn auch unter anderem Titel: Sportmärchen. Im ersten Beitrag bringt er uns die Geschichte des tragischen finnischen Fliegers Matti Nykänen näher. Die ist nämlich ganz schön kaurismäkisch und sollte nicht verpasst werden.

27.12.05

Software-Engineering-Essay

"Dem Zurechtzimmern der komplexen konzeptuellen Strukturen, aus denen die abstrakte Entität eines Programms bestehen soll, steht die Akzidenz gegenüber - also der Modus, in dem diese abstrakten Entitäten in Programmiersprachen formuliert und auf Maschinensprache abgebildet werden, die ihrerseits an physischen Grenzen - Speicherplatz, Geschwindigkeit - der Zielsysteme gebunden sind".
in: Brooks, Frederick P. jun.; Vom Mythos des Mann-Monats: Essays über Software-Engineering

Gibts übrigens auch als Hörbuch ¦-)
Der c't Rezensent schreibt dazu treffend: "Beim Konsum eines Hörbuchs im Auto, beim Jogging oder wo auch immer perlen derartige Sätze im Fliesstext vorgelesen ab wie Musik im Supermarkt."

11.10.05

a tribute to "Modellbögen"

"Diese lautlose, handgreiflich-meditative Auseinandersetzung mit dem, was die Willensnation ausmacht, die nach Pestalozzis Forderung Kopf, Hand und Herz des Kindes in Beschlag nimmt und in der Tradition protestantisch-pietistischer anschauender Weltaneignung steht, musste folgerichtig in der reformierten Zunftstadt Zürich in ihrer helvetischen Version ersonnen werden, wo stiller Fleiss und präzises Handwerk von jeher in hohen Ehren standen."
aus NZZ: "Helvetische Errungenschaften"
Zugegeben, die Rubrik ist nicht ganz richtig. Aber der Satz verdient es trotzdem in die Feuilletontrouvaillen aufgenommen zu werden. Der Gegenstand ist schliesslich ein Kulturgut par excellence.
Es gibt nichts schöneres als an einem nasskalten Sonntagmorgen wieder einmal ein Schloss Chillon oder wenns denn sein muss eine moderne S-Bahn-Komposition zusammenzukleben. Mit oder ohne Kinder!
Zu beziehen bei: Pädagogischer Verlag des Lehrerinnen- und Lehrervereins Zürich

415.gif
Bild: Schloss Chillon, Webseite paedag.ch

26.09.05

Schwule Pinguine

In der Filmkritik zu Die Reise der Pinguine beschreibt Andrea Köhler die anthropomorphe Inszenierung und die Pinguine als Projektionen für Rechte Christen. Sie schliesst den Artikel mit dem dankbaren Beispiel von Silo und Roy: Ein seit 1998 treues Pinguin-Pärchen das sich liebevoll um "ihr" Küken kümmert. Silo und Roy sind Männchen.
NZZ: Der lange Marsch (letzter Absatz)
New York Times, 7.2.2004: Love That Dare Not Squeak Its Name

weiterlesen "Schwule Pinguine" »

28.08.05

über Höllebecqs Orientierungslose

"... Daniel 1 bis 25 sind durch die Bank misanthropische, wahlweise misogyne, jederzeit zynisch-abgehalfterte Figuren bzw. Abziehbilder, deren Hauptproblem ihre zunehmende Orientierungslosigkeit ist."
in: Laux, Thomas; Der verbesserte Affe und die leere Zukunft: Michel Houellebecqs Klon-Roman «Die Möglichkeit einer Insel»;
Neue Zürcher Zeitung, 27./28.08.2005, Nr. 199, S. 49

01.11.04

Die Kunst, die Kunst...

"... Jede Kunst wäre somit - auch in einem nichtmetaphysischen Sinn - anagogisch, und jedes Interesse an Kunst wäre, so gesehen, mit dem romantischen Impetus behaftet, die Wirklichkeit zu "poetisieren" und sie dadurch zu intensivieren und zu erweitern."
in: Weibel, Elmar; Zwischen Ästhetik und Anästhesie: Kunst, Kitsch und Pornografie - Versuch einer Definition;
Neue Zürcher Zeitung, 30./31.10.2004, Nr. 254, S. 65

29.07.04

Feuerbachs Oszillieren

"... Feuerbachs Oszillieren zwischen der sinnlichen und endlichen Natur der Menschen und der Vergottung der Gattung als alleinige, absolute Wirklichkeit mag man immerhin als Signatur auch unserer Gegenwart noch erkennen."
in: Wenzel, U. J.; Der Mensch sei des Menschen Gott: Vor zweihundert Jahren wurde Ludwig Feuerbach geboren;
Neue Zürcher Zeitung, 28.07.2004, Nr. 173, S. 37

23.10.03

Cocteau's Vita

"... Cocteaus Vita erscheint als ein eigentlicher Roman, als eine pikareske Folge von Begegnungen mit schrägen und/oder schillernden Figuren über dem Basso continuo eines febrilen existenziellen Unwohlseins."
in: Zitzmann, M.; Wunderjüngling im künstlerischen Paradies: Jean Cocteau im Pariser Centre Pompidou und in einer neuen Biografie;
Neue Zürcher Zeitung, 22.10.2003, Nr. 245, S. 45

05.01.03

Schlingelsief über Valentin

"... Valentins waffe war der konsequente, nicht gewollte und somit erreichte weg, den vorgegebenen rahmen bis an seine äußerste grenze hin zu akzeptieren und somit ohne große absichten oder weltverändernde maßnahmen ins wanken zu bringen."
in: Schlingensief, Christoph; Maximal ziellos zur Attacke: Endlich eine Karl-Valentin-Gesamtausgabe;
Die Zeit, Literaturbeilage Nr. 47 (2002)